„Putin guckt, als wisse er genau, wer im Fahrstuhl gefurzt hat.“
– Das Haus am Ende der Welt, S. 372

Neulich fragte mich eine Buchbloggerin in einem Interview, mit welcher Figur aus meinem Romandebüt Schattenwald ich mich am meisten identifiziere. Eine spannende Frage, denn meine Antwort lautet nicht automatisch: „Mit Sara, der Hauptfigur, natürlich!“ Vielleicht fühle ich mich sogar ein kleines bisschen mehr mit ihrer Mutter Eva verbunden, die im Buch als Antagonistin auftaucht. Sara habe ich Eigenschaften angedichtet, die nicht so sehr meine eigenen sind: Hartnäckigkeit, Sportlichkeit und eine gewisse Unerschrockenheit. Ich wäre selbst gerne ein wenig mehr wie sie. Das ist das Schöne an Romanfiguren: Man kann sie mit eigenen Wünschen aufladen.
Während ich Sara ein wenig idealisiert habe, tue ich bei Eva das Gegenteil: Sie zaudert mehr als ich, ist misstrauischer und ängstlicher. Aber ich habe ihr eine meiner großen Leidenschaften angedichtet: Sie hat einen Sprachenfimmel – und zwar weitaus stärker als ich selbst. Eva spricht etliche Sprachen fließend (was ich gerne könnte) und legt zu Übungszwecken arabische Buchstaben aus Lakritzschnecken (was mir niemals einfallen würde!). Aber dass ich, wie sie, mit einem Grammatikbuch auf einer Sonnenliege entspanne, kann durchaus vorkommen – nur habe ich währenddessen noch nie ein tragisches Unglück verursacht.
Offenbar lade ich meine Hauptfiguren mit meinen eigenen, als positiv oder negativ empfundenen Eigenschaften auf. Das ist auch in Das Haus am Ende der Welt so. Als meine Lektorin meinte, mein Protagonist Henning sei manchmal „eine ganz schöne Lusche“, hatte sie recht. Das bin ich nämlich auch öfter mal. Genau wie er neige ich gelegentlich zu Feigheit und komme nicht aus dem Quark. Diese zwei Charakterfehler muss der Gute in der Geschichte überwinden, so wie ich in meinem eigenen Leben immer wieder damit kämpfe.
Die weibliche Hauptfigur Taina wiederum ringt um Zugehörigkeit und Unabhängigkeit – ein totales Dilemma, das auch mir selbst nicht fremd ist. Wie oft wünsche ich mir, mein gesamtes Umfeld in die Wüste zu schicken und fürchte mich zugleich davor, einsam zu sein! Wie Taina bin auch ich immer diejenige gewesen, die in ihrer Herkunftsfamilie am Rande stand, weil ich das Gefühl hatte, anders als die anderen zu sein und nicht richtig dazuzugehören. Das ist zu einem Lebensthema für mich geworden, denn ich tue mich grundsätzlich schwer, mich irgendwo wirklich zugehörig zu fühlen.

Wie ich an anderer Stelle schon geschrieben habe: Nichts an der Geschichte habe ich selbst so erlebt und die Figuren sind komplett ausgedacht. Aber natürlich steckt viel von mir drin. Auch mein Hang zu Albernheiten scheint immer wieder durch. Ich hatte großen Spaß daran, die Figur Mikko zu schreiben, Tainas finnischen Cousin, der immer wieder für humorvolle Entspannung sorgt, wenn die Handlung zu sehr ins Schwermütige abzudriften droht. Für ihn habe ich mir einen wunderbaren Running Gag ausgedacht – ganz einfach, weil ich Running Gags liebe. Ein bis zwei tauchen in jeder Geschichte auf.
Wer mir auf Instagram folgt, muss den Eindruck bekommen, dass ich eine durch und durch alberne Person bin. Und es stimmt, wenn es etwas zu scherzen gibt, schmunzele ich nicht nur gerne mal ein bisschen, sondern bin vorne mit dabei. Mir ist sehr bewusst, dass ich den Bogen hin und wieder überspanne. Aber es ist so schwer, aufzuhören, wenn es am schönsten ist! Ich bringe einfach gerne andere Menschen zum Lachen. Auf Instagram habe ich eine wunderbare Spielwiese gefunden und kaspere begeistert darauf herum.
Als ich dort noch neu war und meinen Psychothriller Schattenwald bewerben wollte, schaute ich mir an, wie andere Psychothriller-Autorinnen das machten. Manche gaben sich demonstrativ böse und düster, kokettierten mit ihrer „Abgefucktheit“ und ihrem „kranken Hirn“. Das wirkte auf mich viel zu aufgesetzt. So wollte ich nicht auftreten, denn ich habe zwar einen Thriller geschrieben, bin aber ansonsten eigentlich überwiegend heiter, mit gelegentlicher depressiver Tendenz. Also habe ich beschlossen, mein Profil so zu gestalten, wie es mir Spaß macht. Das war die richtige Entscheidung, auch wenn ich mich followermäßig nie unter den Krimi- und Thrillertanten etabliert habe. Dafür folgen mir viele, die meinen Humor schätzen.

Ich fürchte allerdings, dass durch meinen Social-Media-Auftritt die Erwartung entstanden ist, meine Bücher wären genauso albern wie ich selbst. Wer mich nur über Instagram kennt, wird wahrscheinlich überrascht sein, wie anders Das Haus am Ende der Welt ist. Tiefgründiger und melancholischer als ich mich üblicherweise gebe. Aber – keine Angst! – stellenweise auch wirklich lustig. Denn eine gute Geschichte bildet viele verschiedene Gefühle ab und darf sowohl zum Lachen als auch zum Weinen anregen.
Fazit: Das Haus am Ende der Welt ist ein sehr, sehr persönlich geprägtes Buch, das vieles von dem abbildet, was ich im wahren Leben bin: nach Zugehörigkeit und Unabhängigkeit strebend, mal feige, mal luschig, mal heiter-gelassen oder durchweg albern. Mal tiefgründig und melancholisch, dann wieder zornig und impulsiv. Ein Buch mit vielen Persönlichkeitsfacetten – wie im wahren Leben auch. Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen und Entdecken!
Fotos: (c) Katrin Faludi