„Gott kann das unmöglich gewollt haben: Ihr Leben, das es gar nicht geben dürfte, den Widerspruch, als der sie lebt und atmet und denkt. Wie soll sie jemals wieder Würde empfinden können?“
– Das Haus am Ende der Welt, S. 371

Einer der aufregendsten Momente im Schriftstellerleben ist es, erstmals ein Rohmanuskript an Testleser herauszugeben. Wenn nach einiger Zeit die erste E-Mail mit dem Betreff „Feedback“ eintrudelt, schießt mir jedes Mal das Blut in den Kopf, und ich traue mich zunächst gar nicht, darauf zu klicken. Was, wenn das, worin ich viele Monate lang mein ganzes Herzblut hineingeschüttet habe, neben höflichem Eingangslob vor allem auf Kritik stößt? Wenn mein Text längst nicht so genial ist, wie mein verletzliches Ego es sich erhofft hat?
Vor gut einem Jahr schickte ich die Rohfassung von Das Haus am Ende der Welt an meinen Testleserkreis und bat aufgrund des großen Umfangs von über 500 Normseiten um Feedback innerhalb von sechs Wochen. Ich richtete mich auf langes Zittern ein, doch die ersten Rückmeldungen trafen schon nach drei oder vier Tagen ein. Das war ein gutes Zeichen. Eine Leserin schrieb, sie habe sich mit dem Manuskript fast die gesamte letzte Nacht um die Ohren geschlagen, weil sie so tief in die Geschichte abgetaucht war.
Dieses Lob wirkte sich sehr positiv auf meinen Blutdruck aus. Der Schluss fiel zwar komplett durch (viel zu heiteitei), aber das war kein Drama. Nach zwei Überarbeitungsdurchgängen fand ich ein stimmiges Ende, das genug Stoff zum Weiterdenken bietet.
Trotzdem gaben mir die ersten beiden Testleserinnen eine harte Nuss zu knacken: „An den Stellen, an denen es um Gott ging, bin ich komplett ausgestiegen!“, lautete die Kritik unter anderem. Das hatte ich befürchtet und ein Stück weit auch erwartet, weil ich wusste, dass die beiden Leserinnen nicht gläubig sind. Sie empfahlen mir, von meinem christlichen Verlag wegzuwechseln, den Glauben aus künftigen Büchern rauszulassen und mir einen „richtigen“ Verlag zu suchen, weil ich „so viel mehr könne als das“.

Das kann ich nachvollziehen. Und ich schließe auch keinesfalls aus, mein Glück später vielleicht bei einem „normalen“ (sprich: säkularen) Verlag zu suchen, wohl wissend, dass es extrem schwer ist, bei den großen Publikumsverlagen unterzukommen. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dies sei nicht mein Ziel.
Momentan jedoch bin ich bei meinem kleinen christlichen Verlag unter Vertrag, habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Mitarbeitenden dort und erfahre viel Wertschätzung für meine Arbeit. Dieses Haus hat es mir überhaupt erst ermöglicht, Schriftstellerin zu werden und dafür bin ich sehr dankbar. Wohin mich mein Weg künftig führen wird, ist mir im Augenblick überhaupt nicht klar. Ich konzentriere mich jetzt erst einmal darauf, dass Das Haus am Ende der Welt erscheint.
Natürlich lautet die Vorgabe in einem explizit christlichen Verlag, eben solche Inhalte zu vermitteln, was für mich grundsätzlich kein Problem ist, da ich gläubige Christin bin. Ich sehe jedoch auch, dass es immer schwieriger wird, Glaubensinhalte zu kommunizieren. Der Gegenwind wird rauer. Unsere Gesellschaft ist in weiten Teilen säkular, Glaube gilt als Privatsache, und man wird kritisch oder mitleidig beäugt, wenn man anderen mit seinen naiven Vorstellungen vom „lieben Gott“ zu nahekommt. Das ist mir bewusst. Ich war selbst einmal Atheistin und habe mit Verachtung auf alles Christliche herabgeschaut, weil ich es für überholt und unnötig hielt. Deshalb kann ich Kritik aus dieser Richtung sehr gut nachvollziehen.
Inzwischen prägt der Glaube mein Leben und damit auch mein Schreiben. Selbst wenn ich ihn nicht explizit in meine Geschichten einbaue, scheint er doch mit meinen Werten durch. In meinen Büchern im christlichen Verlag baue ich ihn in dezenter Weise ein.

Das ist jedes Mal eine extreme Gratwanderung. Ich möchte, dass meine Bücher für alle lesbar sind: Christen, Anders- oder Nichtgläubige. Das ist mir bei Schattenwald meines Erachtens gut gelungen. Von hundert begeisterten Rückmeldungen mokierten sich vielleicht ein oder zwei Leserinnen über das „Gottgeschwurbel“ an zwei Stellen im Buch. Manche nichtgläubige Leserinnen äußerten sich sogar überrascht darüber, dass ein christliches Buch sich so gut lesen ließ, denn sie hatten den „Holzhammer“ erwartet. Auf überfrommes Gesülze reagiere ich aber selbst allergisch.
Ich finde es sehr schwierig, Glaubensinhalte so in ein Buch einzuweben, dass sie einerseits bei „religiös musikalischen Menschen“ die richtigen Saiten zum Schwingen bringen, andererseits aber keine Leser vergraulen, die damit gar nichts anfangen können. Vielleicht ist das auch kaum möglich, man kann schließlich nicht alle zufriedenstellen.
Im Austausch mit Autorinnen aus christlichen Verlagen habe ich erfahren, dass sich fast alle solche Gedanken machen: Was können wir tun, damit unsere Bücher auch außerhalb der „christlichen Bubble“ wahrgenommen werden? Wie gewichten wir die Glaubensthemen und wie kommunizieren wir sie, ohne Leser damit abzuschrecken?
Ich begnüge mich zurzeit mit dem Gedanken, dass meine Leserinnen und Leser erwachsene Menschen sind, die das für sich selbst differenzieren können und toleranzfähig sind. So wie ich bei durch und durch atheistischen Romanen wie Eine Frage der Chemie am Ende sagen kann: „Die Geschichte war gut, aber die atheistischen Stellen haben mir nicht gefallen. War insgesamt aber ein lesenswertes Buch.“ So ungefähr wünsche ich mir das auch bei meinen Leserinnen und Lesern.
Und falls die Geschichte doch jemanden dazu anregt, seinen Standpunkt zu überdenken, finde ich das schön. Die Credits dafür gebe ich dann gerne weiter „nach oben“.
Fotos: (c) Katrin Faludi
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